Tätigkeit eines Betreuungsrichters
Beim Kontakt zum Betreuungsgericht:
Wünsche und Probleme offen ansprechen
Ein Gespräch mit Betreuungsrichter Friedhelm Stückemann
Als Betreuungsrichter am Amtsgericht in Osnabrück hat Friedhelm Stückemann seit 2006 täglich mit den unterschiedlichsten rechtlichen Aspekten von Demenzfällen zu tun, wobei er neben den Betreuungssachen auch noch andere Themen bearbeitet. Der verheiratete Jurist ist gebürtiger Bramscher des Jahrgangs 1958, hat drei Kinder und wohnt in Osnabrück. Im Interview gibt er auch Hinweise für Angehörige im Umgang mit dem Betreuungsgericht.
Herr Stückemann, was ist das Besondere an der Arbeit eines Betreuungsrichters und welche neben den natürlich notwendigen juristischen Fähigkeiten sollte ein Betreuungsrichter noch mitbringen?
Unterschiede im Vergleich der Tätigkeiten von Betreuungsrichtern und Richtern mit anderweitigen Aufgaben ergeben sich unter anderem daraus, dass ein Betreuungsrichter weniger mit anderen Juristen und insbesondere mit Rechtsanwälten zu tun hat. Es besteht in der Regel der direkte Kontakt zwischen den Betroffenen und ihren Angehörigen einerseits und dem Betreuungsgericht andererseits. Anwälte sind selten zwischengeschaltet. Es stehen häufig persönliche und praktische Probleme im Vordergrund. Juristische Problemlösungen, die ein langes Aktenstudium erfordern, sind eher selten. Außerdem sind im Betreuungs- und Unterbringungsrecht viel häufiger eilige Entscheidungen zu treffen. Die auftretenden Fallgestaltungen verbieten in der Regel ein langes Zuwarten. Dies gilt insbesondere für vorläufige Betreuungen etwa bei plötzlich auftretenden schweren Erkrankungen, für geschlossene Unterbringungen beispielsweise bei psychischen Erkrankungen oder für die Genehmigung unterbringungsähnlicher Maßnahmen wie insbesondere Bettgitter oder Gurte in Behinderteneinrichtungen oder Altenheimen. Ein Betreuungsrichter sollte neben juristischen Fertigkeiten die Fähigkeit besitzen, auf die Betroffenen einzugehen, sich in ihre Lage zu versetzen, praktische Lösungen aufzuzeigen und überzeugend zu argumentieren. Eine verständliche Ausdrucksweise, soziale Kompetenz, Geduld und Empathie sind in diesem Bereich sicher wichtige Eigenschaften.
Warum sind Sie ganz persönlich Betreuungsrichter geworden?
Persönlich schätze ich die Arbeit eines Betreuungsrichters gerade wegen der oben aufgeführten Besonderheiten der richterlichen Tätigkeit. Aus meiner Sicht hat aber auch eine Kombination der Arbeit im Betreuungsrecht und beispielsweise im Zivilrecht durchaus ihre Vorzüge. Solange man sich mit einem Teil seiner Arbeitskraft in einem anderen Bereich der richterlichen Aufgaben beschäftigt, ist eine Vielseitigkeit gegeben, die Übersicht und Abwechslung bewahrt.
Was wünschen Sie sich von den Angehörigen demenziell erkrankter Menschen im Umgang mit dem Betreuungsrichter?
Der Umgang der Angehörigen demenzerkrankter Menschen mit dem Betreuungsgericht ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Offenheit und Ehrlichkeit sind insoweit zu begrüßen. Eine Angst vor Ämtern, wie sie früher üblich war, ist unangebracht.
Welche Tipps haben Sie für die Angehörigen beim Umgang mit dem Betreuungsrichter?
Es sollte keine Scheu bestehen, Kontakt zum Betreuungsgericht aufzunehmen und Wünsche und Probleme offen anzusprechen und darzulegen.
Jeder kann von Demenz betroffen sein – gibt es vergleichbar etwa zur Patientenverfügung irgendeine Vorbereitung oder rechtliche Vorsorge, zu der Sie den Menschen raten würden?
Aus meiner Sicht ist eine umfängliche Vorsorgevollmacht das wichtigste Instrument, um für den Fall der Demenz vorzusorgen. Während in einer Patientenverfügung geregelt wird, welche Maßnahmen Ärzte in bestimmten Situationen ergreifen oder nicht ergreifen sollen, wird mithilfe einer Vorsorgevollmacht eine oder mehrere Personen des Vertrauens für den Fall der Erkrankung bevollmächtigt. Ich kann als Betroffener nicht nur bestimmen, wer mich im Fall meiner Erkrankung vertreten soll, sondern kann diese Vertretungsmacht auch auf verschiedene Personen verteilen und differenziert und individuell ausgestalten. Wünsche für den Fall der fehlenden Selbstbestimmung können so am ehesten verwirklicht werden.
Wenn Sie als juristischer Experte in ihrem Gebiet einen Wunsch für eine neue Regelung an den Gesetzgeber frei hätten, wie würde dieser Wunsch lauten?
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass eine Überarbeitung des bundeseinheitlichen Betreuungsrechts seit Jahren vorbereitet wird. Ein Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts wurde am 12. Mai 2021 im Bundesgesetzblatt verkündet und tritt zum 1. Januar 2023 in Kraft. Die gesetzlichen Änderungen wurden unter Beteiligung der Praxis vorbereitet und sollen deren Bedürfnisse ausgewogen berücksichtigen. Vor allem soll auch die Stellung der Betreuungsstellen der Landkreise und kreisfreien Städte gestärkt werden. Mithilfe dieser Betreuungsbehörden sollen die Entscheidungen der Betreuungsgerichte gründlich vorbereitet werden. Die dafür nötige personelle Ausstattung der Betreuungsstellen ist zu wünschen. Die praktische Wirkung der Gesetzesreform bleibt noch abzuwarten.
Im Großen und Ganzen ist das Betreuungsrecht meines Erachtens gut geregelt. Es kommt immer wieder vor, dass bestimmte gesetzliche Vorschriften sich als im Einzelfall unnötige formelle Hürden auswirken. Da Gesetzesnormen aber immer auf eine Vielzahl von Fällen anzuwenden sind, lässt sich dieser Umstand nicht vermeiden.
Quelle: Welt des Vergessens – Demenz-Ratgeber für Betroffene und Angehörige in Stadt und Landkreis Osnabrück (Alzheimer Gesellschaft Osnabrück e.V. und Verlag Kommunikation & Wirtschaft GmbH); Autor (Text und Foto): Burkhard Riepenhoff